Rekonstruktion eines
mesolithischen Pfeiles mit eingesetzten Mikrolithen, die mit Birkenpech
verklebt sind.
Birkenpech wird auch als Klebstoff der
Vorgeschichte bezeichnet. Seine vorgeschichtliche Gewinnung ist bisher
nicht eindeutig geklärt. Nachweislich wird er seit 120.000 Jahren auf einem altsteinzeitlichen Lagerplatz im Indetal nähe Jüchen
verwendet. Stücke von Birkenrinde, müssen in einem kontrollierten
Verschwelungsprozess unter Luftabschluss ablaufen und unter Temperaturen von 340 bis 400
Grad Celsius erhitzt werden. Es entsteht dann eine schwarze teerige Masse, die
für das Verkleben von Artefakte eine vielfältige Anwendung fand.
Der Verf. bedankt
sich bei Frau Marlene Tacke, der Museumspädagogin des Mainfränkischen Museums Festung
Marienberg in Würzburg, für das zur Verfügung gestellte Foto des Pfeiles.
Der nachfolgende Film beschreibt den Bau eines
mesolithischen Pfeil mit eingesetzten Mikrolithen. Die Rekonstruktion
zeigt wie hoch die handwerklichen Fähigkeiten der Jäger und Sammler im
Mesolithikum waren. Der Beitrag wird von Peter Lustig moderiert.
Einleitung
eit mehreren Jahren ist Verf. als freier Mitarbeiter des
Museumszentrums Burg Linn mit der Aufgabe befasst, Begehungen im
Stadtgebiet durchzuführen, um vor- und frühgeschichtliche Fundstellen
für die archäologische Forschung zugänglich zu machen. Im Herbst 1979
konzentrierten sich die Begehungen auf den nördlichen Teil des
Stadtgebietes. Östlich des Hülser Berges konnten einige
Feuersteinabschläge aufgesammelt werden. Daraufhin wurde die Begehung
dieser Stelle systematisiert und auf ein größeres Areal ausgeweitet.
Es konnte festgestellt werden, dass in verschiedenen Abständen weitere Artefaktkonzentrationen vorhanden sind. Das Fundmaterial dieser Stellen
war untereinander recht ähnlich; es handelt sich
zunächst um Abschläge, Kernsteine und einige Kratzer. Die Funde
glichen sich auch in der Farbe der Patina (rotbraun).
Weil aber im Fundmaterial typische Geräte fehlten, war eine Zuweisung
der Funde in eine bestimmte Epoche zu diesem Zeitpunkt nicht möglich,
obwohl die geringe Größe der meisten Artefakte an ein mesolithisches
Alter denken ließ. Als im Frühjahr des
darauf folgenden Jahres die ersten Mikrolithen gefunden wurden,
bestätigte sich diese Vermutung. ( Im Museum Burg Linn befindet sich eine Anzahl Flintartefakte
mesolithischer Prägung die vom Berg selber stammen. Eindeutig
kennzeichnende Werkzeuge befinden sich aber nicht unter ihnen. Die
Funde werden deshalb hier nicht weiter berücksichtigt.)
Mesosolithische Geräte zeichnen
sich durch ihre Kleinheit aus. Die Mehrzahl hat eine Größe von 2-3 cm.
Als
Mesolithikum (Mittelsteinzeit), wird der Zeitabschnitt vom Ende
der Letzten Eiszeit (ca. 9600 v. Chr.) bis zum
Beginn des Neolithikum (Jungsteinzeit) ca.
5500 v. Chr. bezeichnet.
Im Mesolithikum lebte der Mensch in aneignender Wirtschaftsweise
(Jäger-Sammlertum), wie auch schon im vorangegangenen
Paläolithikum(Altsteinzeit).
Diese Wirtschaftsweise änderte sich erst mit dem Beginn von Ackerbau
und Viehzucht im Neolithikum(5500 v. Chr.)
Rohstoffe
n der Regel sind Steinartefakte die einzigen Hinterlassenschaften
aus diesen Zeiten, da sich organisches Materialien nur in den seltensten
Fällen erhalten haben. Dem Menschen des Mesolithikums standen zur
Herstellung der Steingeräte in der näheren Umgebung vor allem zwei
Feuersteinvorkommen zur Verfügung, die unter der Bezeichnung
Maas-Feuerstein und Maaseier-Feuerstein bekannt sind.
Nordöstlich und nördlich von Krefeld sind Vorkommen von
Baltischen-Feuerstein, besonders in den Stauchmoränen der vorletzten
Eiszeit vorhanden. Baltischen-Feuerstein scheint aber im Fundmaterial
keine Rolle zu spielen. Hauptsächlich liegt Maas-Feuerstein vor (ca.
2/3), der Rest ist aus Maaseier-Feuerstein gefertigt, sonstige
Flintarten kommen äußerst selten vor. Der Hohe Anteil von
Maas-Feuerstein ist bemerkenswert, da er in unmittelbarer Umgebung nur
selten auftritt, während Maaseier-Feuerstein, der nur knapp 1/3 des
Fundmaterials ausmacht, in der näheren Umgebung
in größeren Mengen zu finden ist.
Zur
Technik der Feuersteinbearbeitung
er
Feuerstein (Flint, Silex) besteht aus Chalzedon bzw. Opalkonkretionen
und zeichnet sich durch hohe Härte und Homogenität aus, woraus eine
gute Spaltbarkeit resultiert. Diese Eigenschaften hat der Mensch früh
erkannt und Silex für die Herstellung von Steinwerkzeugen von Anfang an
bevorzugt. Nachfolgend seien einige Begriffe aufgeführt, die in der
archäologischen Forschung zur Ansprache von Steinartefakten
gebräuchlich sind.
Abschlag: Wird auf eine bestimmte Stelle eines
Feuersteins durch Schlag oder Druck eine genügend große Kraft
ausgeübt, so löst sich nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten ein Stück
dieses Feuersteins ab. Das abgespaltene Stück bezeichnet man als
Abschlag. Es ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
Schlagflächenrest, Schlagbuckel(Bulbus), Schlagwellen, Schlagnarben,
Schlagpunkt
(vgl. Taf. 3,
Abb. 8). Man
unterscheidet beim Abschlag zwei Seiten: a. Ventralseite, die flachere
Seite des Abschlages, auf der sich die ebengenannten Merkmale vorfinden.
b. Dorsalseite, die gewölbtere Seite, auf der sich Abschlagnegative
bzw. deren Randgrate befinden.
Kernstein:(Nucleus): Ein Feuerstein, von dem gezielte
und mehr oder minder regelmäßige Abschläge gewonnen wurden.
Erkennbar
ist ein solcher Kernstein an den Negativen der von ihm gewonnenen
Abschläge(vgl.
Taf. 3, Abb. 6)
Klinge: Bezeichnung für einen Abschlag, der erheblich
länger als breiter ist.
Retusche: Eine gebräuchliche Technik zur weiteren
Formgebung von Steinartefakten.
Kratzer: Ein retuschiertes Werkzeug mit meist
bogenförmiger Arbeitsseite. Der Verwendungszweck ist im einzelnen nicht
bekannt.
Stichel: Ein Werkzeug
zur Bearbeitung von Knochen und Geweih.
Das Fundmaterial
is
heute konnten aus dem Gebiet des Hülser Berges eine größere
Anzahl von Mikrolithen, Kratzern, Kernsteinen und klingenförmigen
Abschlägen, dazu einige wenige Stichel, Bohrer, zwei sogenannte
"Großgeräte" und ein Retuscheur aufgesammelt werden. Da die
Vorlage des gesamten Materials den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen
würde, ist auf den Tafeln 1-3 stellvertretend ein Querschnitt durch das
Geräteinventar einer Fundkonzentration vorgestellt worden.
Die meisten Steingeräte, besonders die kleinen unter ihnen, wurden
wohl zum Gebrauch mit einer Schäftung aus organischen Materialien, z.B.
Holz, Knochen, Horn, Geweih versehen. Unter günstigen
Erhaltungsbedingungen, wie sie in den Seerandsiedlungen des
Voralpengebietes und in den Mooren Norddeutschlands vorhanden sind,
wurden solche Schäftungen gefunden (vgl.
Taf. 3, Abb. 7) und Rekonstruktion aus dem Rhein Mainmuseum in Würzburg. Siehe oben.
Datierung
nter der Voraussetzung, dass das Fundmaterial als geschlossen
angesehen werden kann, ist eine Datierung nach den Kriterien von ARORA
in das ältere Mesolithikum möglich.
Nach dem jetzigen Stand der Forschung stammen die meisten Werkzeuge aus
dem älteren Mesolithikum um ca. 8 500 v. Chr.
Ungewöhnlich ist das
Vorhandensein von "Großgeräten"(vgl.
Taf. 3, Abb. 1-3 und Abb. 5)
im Fundmaterial, den solche Gegenstände sind bisher von Fundplätzen
des Rheinlandes nicht bekannt. Häufig kommen sie dagegen in Norddeutschland
und Dänemark vor.
Die sorgfältiger gearbeitete Pfeilspitze
(Taf. 2,
Abb. 6) stammt aus der JungsteinzeitNeolithikum; sie ist also nicht
zum übrigen Inventar zu rechnen.
Abschließende
Bemerkungen
ie erhebliche Menge der Funde deutet darauf hin, dass sich die
Menschen an diesen Plätzen längere Zeit oder häufiger aufgehalten
haben. Dafür spricht auch, dass ein kleiner Teil der Artefakte krakeliert ist. Besonders ein Fundplatz fällt durch sehr viel kleinste
Abschläge und Absplisse auf. An diesem Platz wurde mit Sicherheit
Feuerstein geschlagen, um Geräte herzustellen.
Auf einer nahe gelegenen
Fundkonzentration wurde auch ein Retuscheur gefunden (Taf. 3. Abb.
4),
der einen Hinweis auf diese Tätigkeit gibt.
Von den neun bisher unterscheidbaren Fundkonzentrationen liegen sechs
entlang einer Rinne, die üblichen drei näher am Berg. hieraus ergibt
sich die Frage, ob die Rinne, die nordwärtiges Gefälle hat, schon im
Mesolithikum bestand und möglicher weise wasserführend war. Zur
Klärung dieser Frage und um zu erkunden, ob in der Rinne Schichten
vorhanden sind, in denen sich Funde aus organischen Materialien
(Knochen, Holz, Leder etc.) hätten erhalten können, wurde eine Handbohrung
durchgeführt .
(Für Hilfe bei der Durchführung und Auswertung dieser Bohrung ist
der Verf. Herr Dr. H. W. QUIZOW, Krefeld, zu Dank verpflichtet.)
Sie ergab, dass die Rinne an ihrer tiefsten
Stelle (Rinnensohle) ca. 2,5 m junge (holozäne) Sedimente enthält. Im
einzelnen wurden erbohrt:
Tiefe in [m] bis
Erbohrte Schichten
- 0,4
sandiger Lehm, bräunlichgrau
- 0,5
sandiger Lehm, graubräunlich
- 1,0
lehmstreifiger
Mittel - bis Feinsand, hellbräunlich
- 1,4
Mittel- bis Feinsand, hellgraubräunlich
- 2,4
Mittelsand, hellgelblichgrau
darunter gröberer Sand und Kies der
Niederterrasse des Rheins. Die Rinne, deren Oberfläche heute etwa 1 m
tiefer als das umgebende Gelände liegt, war vor ihrer Auffüllung also
etwa 3,5 m tief. Schichten, in denen sich organische Materialien hätten
erhalten können, sind in ihr nicht vorhanden.
Eine weitere Bohrung wurde quer zur Rinnenachse 10 m von der ersten
Bohrung entfernt durchgeführt. An dieser Stelle finden sich an der
Oberfläche Feuersteinabschläge. Das Profil zeigt hier nur eine 1 m
mächtige Lehmschicht auf dem Kies der Niederterrasse. Die Rinne hatte
also ziemlich flache Hänge und scheint relativ breit gewesen zu sein.
Sie gehört zu den kleinen Bachrinnen, welche nach Beendigung der
letzten Eiszeit gebildet wurden und dürfte im Mesolithikum eine
größere Bedeutung in dieser Landschaft gehabt haben als heute.
Rekonstruktion des Wohnplatzes
ie Wohnplätze der Mesolithiker waren meistens sehr klein und bestanden aus einfachen
Hütten. Eine Hütte war am Boden mit Birkenrinde ausgelegt.
Ein typischer Wohnplatz ist auf (Abb. 1) zu sehen. Mehrere Fundplätze am Hülser Berg liegen an einer Rinne die vermutlich wasserführend war.
Vom Einbaum aus wurden hier Fische gefangen. Die Verteilung der Artefakte spricht eher für eine kleinere Gruppe von Menschen die hier zeitweise lebten. Insofern ist die bildliche Rekonstruktion des Fundplatzes realistisch.
Nach heutigem Erkenntnisstand stellten die Mesolithiker die ersten Einbäume der Geschichte her. Zum Aushöhlen der Boote verwendeten sie einfache ungeschliffene Steinbeile. Im Fundinventar gibt es zwei Typen von Beilklingen. Kern- und Scheibenbeilklingen. Die Schäftung der Beilklingen ist zur Zeit noch nicht geklärt.
Man kann aber davon ausgehen, dass sogenannte Kniehölzer
verwendet wurden.
(Abb. 1) Modell aus dem Museum für Ur- u. Frühgeschichte
Thüringens in Weimar
AUS FLINT VON DER MAAS Erste mittelsteinzeitliche Großgeräte im Rheinland von Surendra K. Arora
Bemerkung:
Mittlerweile wurden auf anderen Plätzen im Rheinlands weitere mesolithische Großgeräte gefunden.
Auch vom Hülser Berg wurde kürzlich ein weiteres Exemplar eines Kernbeils entdeckt.
Das Verbreitungsgebiet mesolithischer Großgeräte erstreckt sich somit weiter nach Süden als bisher angenommen.
Tatsache ist, dass Archäologie in Krefeld das Erste mesolithische Großgerät in NRW fand. Dr. Surendra Aurora hat 6.000 Fundplätze im Rahmen seiner Doktorarbeit auswertete und in den Beständen kein Großgerät gefunden. Das Krefelder Exemplar ist ein Erstlingsfund.